Die Welt, 9 Nov. 2003 (to Günther Anders Main Page; Anders Links Page)

Deutschland. Alles, was man lesen muss

Der Kanon zum 9. November: Zehn Sachbücher, in denen sich unsere Nachkriegsgeschichte spiegelt

Autoren: Konrad Adam, Eckhard Fuhr, Matthias Kamann und Hannes Stein

Das West-Buch der 70er Jahre

Günther Anders: Die Antiquiertheit des Menschen. Zwei Bände. C.H. Beck, München. 12,90€

Die Umweltbewegung ist ihrem Wesen nach konservativ, im herkömmlichen Parteienspektrum also rechts angesiedelt. Ludwig Klages war einer der ersten, der das Thema publizistisch aufgriff, als er kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges an die Bündische Jugend appellierte, sich dem technisch genannten Fortschritt zu verweigern. Um auf der Linken heimisch zu werden, bedurfte die skeptische Ökologie nicht nur der bekannten Irr- und Umwege der deutschen Geschichte, sondern auch eines Autors und eines Buches. Dieser Autor war Günther Anders, und das Buch hieß "Die Antiquiertheit des Menschen". Dem zweibändigen Werk voran steht ein Satz, mit dem Anders Karl Marx´ bekanntes Diktum weitertreibt: Es genüge nicht, die Welt zu verändern - "das tun wir ohnehin". Die Veränderung müsse interpretiert werden, "und zwar, um diese zu verändern. Damit sich die Welt nicht ohne uns weiter verändert. Und schließlich in eine Welt ohne uns". Wenn das revolutionär sein sollte, dann konterrevolutionär. Die optimistische Vorstellung vom cultural gap, vom Zurückbleiben der moralischen hinter den technischen Fähigkeiten des Menschen, wird resignativ umgedeutet. Anders will nicht zur Spitze hin aufschließen, sondern den Fortschritt, der für ihn keiner ist, auf ein verträgliches Tempo herabmindern. Nimmt man die eigenwillige Mischung aus rechten und linken Gedanken, aus progressiven und melancholischen Tönen, aus Hoffnung und Verzweiflung zusammen, dann kommt man ziemlich nah ans Lebensgefühl der Grünen heran. Anders prophezeite das Schlimmste, weil er nicht Recht behalten wollte. K.A.


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